Bericht aus dem Facts 43/1996 von Peter Hossli ---------------------------------------------- Computer - Der Software-Pirate aus Schwamendingen In Zuerich betrieben Hacker ein illegales Software-Verteilzentrum. Jetzt hat die Polizei mit Hilfe von Computerspezialisten zugeschlagen. Eine Wagenkolonnne, bestehend aus vier zivilen Polizei-Volvos und einem roten Mazda, haelt vor einem Mehrfamilienhaus in Zuerich-Schwamendingen, Winterthurerstrasse. Eines der grauen Betonquartierte vor der richtigen Stadt. Es ist sieben Uhr, morgens, und es ist kalt. Die unauffaellig gekleideten Polizisten steigen aus, dringen ins Haus ein und oeffnen eine der zehn Wohnungen. Sie finden, was sie vermutet haben: In einem der Zimmer surren diverse miteinander verbundenen Computer und eine moderne CD-Pressanlage, eben- falls ans ausgekluegelte Netzwerk angeschlossen. Zahlreiche Modems ver- binden die Geraete mit dem Rest der Welt. Neben den Maschinen steht, verschuechtert, ein junger Mann. Er ist 27. Zur Arbeit wird er heute nicht gehen, nach knapp einstuendiger Spurensicherung fuehrt ihn die Polizei ab. Die Zuercher Polizeiaktion vom vorletzten Dienstag war eine Schweizer Premiere, ein grosser Coup. Erstmals knackten die Behoerden ein ille- gales, direkt ans weltweite Datennetz Internet angeschlossenes Bulletin Board System (BBS), eine Art digitales Anschlagbrett, das Raubkopien von teuren Computerprogrammen feilbietet. Unter der Firmen- bezeichnung "MoonLight" verkaufte "The Pirate", so die Tarnung des Zuercher BBS-Betreibers, bis vor kurzem noch wertvolle Netzwerk- programme der US-Firma Novell, nach Microsoft der weltweit zweit- groesste Software-Hersteller. Fuer rund 80 Franken waren beim Schwamendinger Piraten hochwertige Programme im Wert von gegen 60'000 Dollar zu haben. Saeuberlich verpackt verschickte "The Pirate" in seiner engen Behausung, hergestellte Sofware-CDs an Kunden, die sich weltweit per Modem oder via Internet bei MoonLight einloggten. Wer eines der angebotenen Programmpakete haben wollte, bestellte es per Mausklick und schickte Bargeld per Post. Bankkontennummern zwischen Anbieter und Kunden wurden nie ausgetauscht. Das Geschaeft beruhte aus- schliesslich auf Vertrauen, verraeterische Spuren sollte es keine hinterlassen. Vorbereitet wrude die Zuercher Aktion von langer Hand. Vor drei Monaten kontaktierten Dirk W. Schmidt, ein Novell-Anwalt, und "Johnny", ein Novell-Computerspezialist, die Zuercher Polizei und die Bezirksanwaltschaft. Dreimal kamen sie nach Zuerich und klaerten die Beamten ueber das Wesen von Bulletin Board Systems auf. Martin Frey, ein Zuercher Anwalt der weltweit operierenden Anwaltskanzlei Baker & McKenzie, stllte sicher, dass das Vorgehen schweizerischem Recht entspricht. Erst dann schlugen die zu, mit der Polizei. Am 14. Oktober um 6 Uhr treffen sich Novell-Anwalt Schmidt und Computerspezialist Johnny in einem Zuercher Flughafenhotel mit Anwalt Frey. Ein Journalist ist auch geladen, schliesslich will man, dass der Fall publik wird. Andere BBS-Betreiber einge- schuechtert werden. "Faengt man einen grossen Fisch", sagt Schmidt, "bekommen hundert kleine Fische Angst und schliessen ihr Board." Im Mazda fahren sie nach Oerlikon. Eine Stunde spter beginnt die Razzia in Schwamendingen. Zu Handgreiflichkeiten kommt es nicht. Die Polizei ist zahlenmaessig ueberlegen, der Pirat zu sehr ueberrascht, um Widerstand zu leisten. Keiner der Nachbarn bemerkt etwas. Johnny leistet bei der Aktion technischen Beistand. Der Englaender heisst nicht Johnny. "Johnny" ist ein Pseudonym, der Mann dahinter ein Phantom, das mittels Computer und Modem durch die Netzwerke gleitet um Kriminellen nachspuert. Sein Gesicht und sein Name will er nicht in der Zeitung sehen. Waehrend die Polizisten in das Haus an der Winterthurer- strasse eindringen, startet Johnny seinen tragbaren Computer, der auf dem Parkplatz neben dem roten Mazda steht. Er verbindet den Laptop mit seinem handy und ruft ein der Moon- Light-Nummern an. Binnen weniger Minuten ist er eingeloggt - fuer die Polizei unmittelbares Beweismittel, dass das Buletin Board bei der Ueberfuehrung des Piraten noch aktiv war. Auf solchen Boards wird vieles feilgeboten, das illegal ist. Neben raubkopierten Programmen koennen BBS-Besucher harte Pornografie, Bastelanleitungen fuer Bomben, gestohlene Kreditkartenummern und anarchistische Schriften auf ihre Festplatte laden. Zuweilen werden sie benutzt, um bevor- stehende Uebergabeorte von Drogen zu publizieren. Gefunden wurde das Zuercher BBS auf verschlungenen Wegen. Das im Sommer 1995 in Belgien geknackte Bulletin Board "Genesis" enthielt Hinweise auf illegales Tun in Zuerich. Auf dem Internet fanden die Novell-Leute Anzeigen des "Pirate" und, erstmalig in ihrer Fandungsarbeit, direkte Zweigstellen fuer MoonLight. Novell-Fahnder Jonny waehlte den entdeckten Zuercher Modemanschluss an und registrierte sich bei MoonLight als Kunde mit Kaufabsichten. Was er sah, ueberraschte ihn. Ein digitaler Katalog fuehrte neben unbedeutenden Programmen auch neuste Netzwerk-Produkte von Novell, die im Laden zwischen 50'000 und 200'000 US-Dollar kosten. Novell entschloss sich zum Angriff und erstattete Strafanzeige gegen den Mann von der Winterthurerstrasse. Der Software-Gigant ist im Kampf gegen internationale Hacker fuehrend. 20 Personen, vornehmlich Anwaelte und Computer- spezialisten, bilden eine weltweit operierende Spezial- einheit, die Sofware-Dieben nachstellt. "Mehrere Millionen Dollar" koste das Novell-Anti-Piraterie-Team - eine kleine Summe, wenn man die immensen Schaden bedenke, der den Computerfirmenen aus Software-Piraterie jaehrlich widerfahre. 15 Milliarden Dollar verlieren die Programmhersteller pro Jahr. Das entspraeche 97'000 Arbeitsplaetzen, fuegt Novell- Anwalt Schmidt an. Einfach ist die Jagd auf die Hacker nicht. Als noch schwieriger erweist sich die Ueberfuehrung und die Verurteilung der vermehrt organisiert agierenden Software-Piraten. Die Gesetze hinken den Machenschaften der Hacker und den technischen Ent- wicklungen meist um Jahre hinerher. Weit schwerer noch wiegt das Wegfallen nationaler Grenzen. Es spiel keine Rolle mhr, wo ein Bulletin Board System steht. Einloggen kann, wer ein Telefon, einen Computer und ein Modem besitzt - von ueberall in der Welt. Und ueberall in der Welt gelten andere Gesetze. Ohne Zusammenarbeit mit lokalen Anwaelten sei die Jagd auf die Hacker kaum moeglich, sagt Schmidt. Komplexer noch werde es, wenn die Software-Piraten ihr Handelsgut nur ber das Internet verschieben. Es ist kaum moeglich, den phisischen Standort eines am Internet angeschlossenen Computers zu lokalisieren. Sind ie bis anhin noch wenig leistungsfaehigen Leitungen einmal zu Handelsstrassen digitaler Produkte augebaut, sagt Johnny, werden die Hacker "wohl richtig reich werden". Noch geht es den meisten Hackern nicht ums Geld. Es sei mehr- heitlich ein auf hohem Niveau ausgetragenes Spiel zwischen "mir un den anderen", sagt Johnny. "Der bessere gewinnt immer." Bis heute hat er noch nie verloren. -------------------------------------------Schnippel---------------- MoonLight, M-E-M-O, etc. wir werden immer an Euch denken und Eure Moerder bis in den Tod raechen. Daniabat. BoEh$e OnKeLz ///UnDeR-SoUnD\\\